Prediger 8

Lesung aus dem Buch Kohelet

Der Prediger, Kap. 8

Ca. 950 v. Chr.

Wer ist wie der Weise und wer ver­steht sich auf die Deu­tung der Dinge? Die Weis­heit er­leuch­tet (oder: ver­klärt) das An­ge­sicht eines Men­schen, so dass die Härte sei­ner Ge­sichts­zü­ge ver­wan­delt wird.

Ich sage: Be­ob­ach­te das Gebot des Kö­nigs, und zwar wegen des bei Gott ge­leis­te­ten Treu­ei­des. Über­ei­le dich nicht, ihm aus den Augen zu gehen (= von ihm weg­zu­ge­hen), und lass dich auf keine böse Sache ein; denn er setzt alles durch, was er will, weil ja das Wort des Königs eine Macht ist; und wer darf zu ihm sagen: »Was tust du da?«

Wer das Gebot be­ob­ach­tet, wird nichts Schlim­mes er­le­ben; wohl aber wird das Herz des Wei­sen die zur be­stimm­ten Zeit ein­tre­ten­de rich­ter­li­che Ent­schei­dung er­le­ben. Denn für jede Sache gibt es eine zur be­stimm­ten Zeit ein­tre­ten­de Ent­schei­dung; doch der Übel­stand las­tet schwer auf dem Men­schen, dass er die Zu­kunft nicht kennt; denn wer könn­te ihm an­sa­gen, wie es in Zu­kunft sein wird?

Kein Mensch hat Macht über den Wind, so dass er den Wind auf­hal­ten könn­te; eben­so­we­nig ist je­mand Herr über den Tag sei­nes Todes; auch gibt es im Kriege keine Ent­las­sung (oder: kei­nen Ur­laub); und eben­so lässt die Ge­set­zes­ü­ber­tre­tung den nicht ent­kom­men, der sie übt. Alles die­ses habe ich ge­se­hen, indem ich mein Au­gen­merk auf alles Ge­sche­hen (oder: Tun) rich­te­te, das unter der Sonne statt­fin­det, so­lan­ge ein Mensch über an­de­re herrscht zu ihrem Un­glück.

10 Dabei habe ich auch ge­se­hen, dass Gott­lo­se be­gra­ben wur­den und zur Ruhe ein­gin­gen, wäh­rend Leute, die recht­schaf­fen ge­lebt hat­ten, von der hei­li­gen (oder: ge­weih­ten) Stät­te weg­zie­hen muss­ten und in der Stadt in Ver­ges­sen­heit ge­rie­ten; auch das ist nichtig.

11 Weil der Ur­teils­spruch über böse Taten nicht schnell voll­streckt wird, darum ist das Herz der Men­schen mit Mut er­füllt, Böses zu tun; 12 au­ßer­dem (auch aus dem Grun­de), weil ein Sün­der hun­dert­mal Böses tut und doch lange am Leben bleibt – ob­gleich ich weiß, dass es den Got­tes­fürch­ti­gen gut­ge­hen wird, weil sie sich vor ihm (d.h. vor Gott) fürch­ten, 13 wäh­rend es dem Gott­lo­sen nicht gut­ge­hen und er seine Tage nicht wie ein Schat­ten in die Länge zie­hen wird, weil er sich vor Gott nicht fürchtet.

14 Es gibt etwas Nich­ti­ges, das auf Erden vor­kommt, näm­lich dass es Ge­rech­te gibt, denen es so er­geht, wie es den Gott­lo­sen nach ihrem Tun er­ge­hen müss­te, und dass es man­chen Gott­losen so er­geht, wie es bei den Ge­rech­ten nach ihrem Tun der Fall sein müss­te. Da habe ich mir ge­sagt, dass auch dies nich­tig sei.


15 So lobe ich mir denn die Freu­de, weil es für den Men­schen nichts Bes­se­res unter der Sonne gibt als zu essen und zu trin­ken und guter Dinge zu sein; und dies möge ihn bei sei­ner Müh­sal be­glei­ten wäh­rend der Tage sei­nes Le­bens, die Gott ihm unter der Sonne ver­gönnt.


16 Sooft ich mein Stre­ben da­r­auf rich­te­te, zur Er­kennt­nis der Weis­heit zu ge­lan­gen und alles Tun, das auf der Erde vor sich geht, zu be­ob­ach­ten, 17 habe ich be­züg­lich des gan­zen gött­li­chen Wal­tens er­kannt, dass der Mensch, mag er auch sei­nen Augen weder bei Tag noch bei Nacht Schlaf zu fin­den ver­gön­nen, das Wal­ten, das sich unter der Sonne voll­zieht, nicht zu er­grün­den ver­mag [in­so­fern der Mensch trotz aller Mühe, mit der er es zu er­for­schen sucht, es doch nicht er­grün­det].

Denn auch wenn der Weise es zu er­ken­nen ver­meint, ver­mag er es doch nicht zu er­gründen.


»Die Bibel nach der Über­set­zung von Her­mann Menge. Die vor­lie­gen­de elek­tro­ni­sche Aus­ga­be gibt die letz­te von Menge be­ar­bei­te­te Text­fas­sung von 1939 in­klu­si­ve der Apo­kry­phen wieder.«
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